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Praxis trifft Wissenschaft – Berufsakademien können die Bildungslandschaft bereichern
Zur Anhörung zum geplanten Berufsakademiegesetz im Wissenschaftsausschuss erklärt der hochschulpolitische Sprecher der Linksfraktion, Christian Albrecht:
„Mit dem geplanten Berufsakademiegesetz steht Mecklenburg-Vorpommern vor einer entscheidenden Weichenstellung für die künftige Bildungslandschaft. Berufsakademien können eine wertvolle Ergänzung darstellen, gerade in einem Land, das von Fachkräftemangel und Abwanderung geprägt ist.
Ein zentraler Punkt der Diskussion war die Frage, wie Berufsakademien in das bestehende Bildungssystem integriert werden sollen. Die Landesrektorenkonferenz und die Hochschulrektorenkonferenz betonen, dass Berufsakademien Hochschulen nicht ersetzen oder mit ihnen konkurrieren dürfen. Vielmehr sollten sie Nischen besetzen und duale Angebote dort erweitern, wo Hochschulen keine Kapazitäten haben. Diese Position ist kritisch zu betrachten.
Beide Institutionstypen stellen Bildungsangebote auf hohem Niveau bereit. Berufsakademien sind aber oft flexibler und innovativer in der Gestaltung von Studienangeboten, insbesondere in der Verbindung von Theorie und Praxis. Diese Innovationskraft kann die Hochschullandschaft bereichern. Die Betonung auf ‚Nischen‘ impliziert eine untergeordnete Rolle, obwohl Berufsakademien in manchen Bereichen, z. B. technische Fachkräfte, praxisnahe Ausbildung, möglicherweise effektiver sind.
Berufsakademien sind also ausdrücklich nicht als ‚Lückenfüller‘ zu betrachten. Wettbewerb gilt häufig als Motor für Qualität und Innovation. Berufsakademien dürfen in den direkten Wettbewerb mit Hochschulen treten, um beispielsweise duale Studiengänge attraktiver oder praxisorientierter zu gestalten.
Hierbei steht die Qualitätssicherung im Vordergrund: Studienabschlüsse an Berufsakademien sollten nur dann als gleichwertig zu Hochschulabschlüssen gelten, wenn sie denselben wissenschaftlichen Standards entsprechen. Dies könnte durch strenge Akkreditierungsverfahren sichergestellt werden – ohne dabei die praxisorientierte Flexibilität der Berufsakademien zu gefährden. Die Linksfraktion unterstützt diesen Ansatz, wobei Berufsakademien durchaus mit bestehenden Hochschulen um attraktive und innovative Studienmodelle konkurrieren können.
Kontrovers wurde auch über die Finanzierung der Berufsakademien debattiert. Während die Hochschulrektorenkonferenz und auch der Gesetzesentwurf staatliche Finanzierung ablehnt, um die Grundfinanzierung der Hochschulen nicht zu gefährden, argumentieren Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft, dass eine rein private Finanzierung Studiengebühren in die Höhe treiben könnten. Dies würde wiederum den Zugang für finanziell schwächere Studierende erschweren. Die Linksfraktion plädiert für ein Modell, das Unternehmensbeiträge und – wo erforderlich – moderate Studiengebühren kombiniert. Steuerliche Anreize für Unternehmen könnten zudem helfen, deren Beteiligung an der Finanzierung und Kooperation mit Berufsakademien zu erhöhen.
Ein wichtiges Ziel der Berufsakademien ist die Bekämpfung des Fachkräftemangels und die Bindung von Absolventinnen und Absolventen an die Region. Dieser sogenannte ‚Klebeeffekt‘ tritt jedoch nur dann ein, wenn Unternehmen attraktive Arbeitsbedingungen und Perspektiven bieten. Meine Fraktion unterstützt diese Absicht ausdrücklich und fordert, dass Studiengänge gezielt auf die Bedürfnisse des regionalen Arbeitsmarktes ausgerichtet werden – dies gilt insbesondere in Berufen wie Pflege, Logistik oder dem Handwerk.
Die Qualität der Bildung an Berufsakademien ist ein weiterer Knackpunkt. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft fordern, dass Berufsakademien wissenschaftliche und praxisnahe Standards gleichermaßen erfüllen müssen. Zugleich sollten die Zugangsvoraussetzungen flexibilisiert werden, um auch Bewerberinnen und Bewerbern ohne klassische Hochschulreife die Möglichkeit zu geben, ein duales Studium zu absolvieren. Die Einbindung digitaler Lehr- und Lernformate wird als Chance gesehen, die Berufsakademien effizienter und moderner zu gestalten. Digitalisierung darf allerding nicht als kostensenkendes Instrument missverstanden werden, sondern soll vielmehr die Qualität des Lernens unterstützen. Darüber hinaus wird die Internationalisierung der Berufsakademien als zentral angesehen, um die Abschlüsse auch international wettbewerbsfähig zu machen.
Summa summarum haben Berufsakademien das Potenzial, die Bildungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern zu bereichern und den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Doch der Erfolg hängt maßgeblich von klaren gesetzlichen Regelungen, nachhaltigen Finanzierungsmodellen und einer strengen Qualitätssicherung ab. Bildung muss für alle zugänglich bleiben. Berufsakademien können eine echte Chance sein, wenn sie sozial gerecht, qualitativ hochwertig und nachhaltig in das Bildungssystem integriert werden.“